Alles Genossenschaft oder was? : Juristisches und nicht allzu Persönliches zu Gierkes Lehre von der juristischen Person
Bis heute wird Otto von Gierke im akademischen Unterricht als derjenige präsentiert, der juristischen Personen reales Leben eingehaucht habe. Das Gegen- oder gar Feindbild ist die juristische Person als rein fiktives Rechtsgebilde, eine Lesart, die dem zwei Generationen älteren Friedrich Carl von Savigny angelastet wird. Gierkes anthropomorphe Umschreibung juristischer Personen als „reale Verbandspersönlichkeiten“ mag in heutigen Debatten anschlussfähig wirken, wenn es darum geht, Personalität und Rechtsfähigkeit über Menschen hinaus zu denken. Gierkes Vorstellungen über juristische Personen wurzeln jedoch in einer unübersichtlichen Gemengelage aus Historismus, Nationalismus, Liberalismus und Sozialromantik, die uns sehr fremd ist. Was der von Gierke seit dem Mittelalter aufgespürte „germanische Associationsgeist“ zu „Genossenschaften“ zusammenfügte, sollte der moderne Staat nicht hinweg regulieren dürfen, sondern sich im Gegenteil selbst unter dem Einfluss von „Genossenschaften“ aller Art verändern. Der Vortrag rekonstruiert, wie Gierke sein aus der Geschichte destilliertes Genossenschaftsmodell in den zeitgenössischen Diskurs zur juristischen Person einbrachte.
Zitieren
Zugriffsstatistik

Rechte
Nutzung und Vervielfältigung:
<intR>²Dok-Lizenz